Album

Collection du Musée Kellenberger de Winthertuhr

Photographies de Mr Marcel Gay



Die Monstranzuhr des Augsburger Meisters Paulus Braun
ausgestellt in der Uhrensammlung Kelenberger, Winterthur

Von Urs Zimmennann

Es wird erzählt. dass diese seltene Uhr ursprünglich aus der Eremitage Sl Petersburg stammt. Belegt ist. dass sie von einem bayrischen Fürsten erworben und nach Jahren einem Kunsthändler in Luzern zum Verkauf übergeben wurde. Dort entdeckte sie ein heute noch lebender Winterthurer Kunstfreund und -sammler, der dieses einmalige Kunstobjekt schlussendlich dem Sammler Konrad Kellenberger vermitteln konnte. Während der Renaissance-Epoche verband man vielfach Uhren mit religiösen Gegenständen, wobei nicht selten Figuren, Inschriften u.a.m. auf die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens hinweisen. So entstanden auch Monstranz (latin monstrare = zeigen} und Kreuz- oder Kruzifixuhren. Bei einer Monstranz - auch Spiegeluhr genannt - verwendete man eine Tischuhr, die in Form einer Monstranz auf eine Säule montiert wurde.

Die vom Augsburger Meister Paulus Braun gefertigte Monstranzuhr besteht aus einer quadratischen Tischuhr, die senkrecht und diametral auf einer vasenförmigen Bronzesäule mit reich profiliertem sechskantigen Sockel ruht. Als Basis für das formvollendete Ganze dient ein sechskantiger, mit Ebenholz furnierter Holzsockel (siehe Bild 1 )

Auf der Front des Gehäuses befindet sich ein Jahreskalenderring, das Hauptzifferblatt und im Zentrum das Astrolabium - Planisphärium.

Der Jahreskalenderring ist von aussen nach innen mit folgenden Angaben versehen:

a die Monate mit den entsprechenden Anzahl Tagen
b das Datum z.B. 1 - 28, 1 - 30 und 1 - 31
c die Sonntagsbuchstaben für alle sieben Wochentage ABCDEFG
d die Heiligennamen der 365 Tage in lateinischer Sprache.

Innerhalb dieses Kalenderringes befindet sich der silberne Stundenzahlenring zwei Mail I-XII mit blau emaillierten römischen Stundenzahlen; um ein genaues Ablesen zu ermöglichen, sind auf einem weiteren Ring die Halb- und Viertelstunden aufgetragen.

Wie bereits erwähnt, wird die restliche Kreismittelfläche vom Astrolabium eingenommen. Um das Zentrum kreisen überlagert folgende Zeiger und Anzeigesysteme:

e} Mondzeiger
f) Sonnenzeiger
g) Tierkreisring mit Fixsternen
h) Drachenzeiger mit Mondbreitenring (siehe Bild 2).

2) Der Mondzeiger - Anzeige von Voll- und Neumond
Der Mondzeiger ist dem Sonnenzeiger überlagert. Seine Zentrumsscheibe besitzt eine kreisrunde Offnung, in der die auf der entsprechenden Scheibe der Sonnenzeiger eingravierten Mondphasen ersichtlich sind sowie eine Nase, mit Hilfe derer man das Mondalter ebenfalls auf der gleichen Zentrumsscheibe ablesen kann. Liegen nun die je mit Mond- oder Sonnenemblem versehenen Zeiger richtungsgleich übereinander, ist Neumond; liegt der Mondzeiger hingegen richtungsleich über dem zweiten Arm der Sonnenzeiger ist Vollmond (siehe Bild 3).

3) Die Sonnenzeiger
Zum Ablesen der Tagestemporalstunden betrachtet man den Schnittpunkt des Sonnenzeigerarms ohne Sonnenemblem (Seite in Drehrichtung) mit dem äusseren Rand des Tierkreisringes. Dementsprechend bestimmt man die Nachttemporalstunden (Zeigerarm mit Sonnenemblem), indem man ebenfalls den Schnittpunkt mit dem Tierkreisring betrachtet (siehe Bild 4).

4) Die Temporalstunden
Die Lange einer Tagestemporalstunde ist die Zeitspanne zwischen Sonnenauf- und -untergang dividiert durch zwölf. Dementsprechend ist die Nachttemporalstunde die Zeitspanne zwischen Sonnenunter- und -aufgang dividiert durch zwölf. Die Temporalstundenlinien sind im unteren Teil des Planisphäriums eingezeichnet Das Planisphärium von Paulus Braun ist nach der südlichen Projektion ausgerichtet, d.h. man nimmt als Projektionszentrum den Nordpol an und schaut gegen Süden. Die Linie der nullten Stunden weist auf die Ziffer IIII des Stundenzahlenringes, diejenige der Stunde sechs auf Ziffer XII und diejenige der Stunde zwölf auf Ziffer VIII (siehe Bild 5).

5) Der Tierkreisring
Dieser Ring ist in zwölf Felder zu je 30° unterteilt, auf denen die zwölf entsprechenden Tierkreisbilder eingraviert sind. Die Peripherie dieses Ringes ist wiederum in total 180 T eile geteilt. Der Tierkreisring bildet mit 26 gesd1weiften Spitzen, die 26 Fixsterne darstellen, und die mit ihrem lateinischen Namen und ihre Grössenklasse bezeichnende Ziffer versehen sind, die Rete oder die Spinne. Auf dem äussersten Rand dieser Rete ist folgende Inschrift eingeschlagen: "STELLARUM FIXARUM NOMINE ET NUMERUS MAGNITUDINES NOTAT". Unter dieser Rete dreht sich das letzte Element, nämlich der aus geblautem Stahl gefertigte

6) Drachenzeiger (siehe Bild 6)
An diesem befestigt ist der Mondbreitenring. Denkt man sich durch die Sonnen- und Mondlaufbahn je eine Ebene, so entsteht eine Schnittgerade. Der Neigungswinkel zwischen diesen beiden Ebenen betragt 5°. Schneidet man nun diese Schnittgerade mit der Mondlaufbahn, 80 findet man den aufsteigenden Knoten, wenn die Mondlaufbahn Ober die Ebene der Sonnenlaufbahn steigt und den absteigenden Knoten, wenn die Mondlaufbahn unter die Ebene der Sonnenlaufbahn fällt. Als Mondbreite bezeichnet man den Winkel zwischen einer Geraden durch irgend einen Punkt auf die Mondlaufbahn und dem Erdmittelpunkt und deren Projektionsgeraden auf die Ebene der Sonnenlautbahn. Diese Mondbreite variiert zwischen 0° und 5° (siehe Bild 7).

7) Sonnen- und Mondfinsternis
Es kann nur eine totale Sonnenfinsternis stattfinden, wenn die je mit Mond- und Sonnenemblem versehenen Zeiger richtungsgleich übereinander, also in idealer Neumondkonstellation und zugleich noch Ober dem Drachenzeiger liegen. Dies bedeutet, dass sich Sonne, Mond und Erde auf der Schnittgeraden der beiden Ebenen von Mond- und Sonnenlaufbahn befinden. Umgekehrt kann nur eine Mondfinsternis stattfinden, wenn Mond und Sonnenzeiger in idealer Vollmondkonstellation stehen und aber dem Drachezeiger liegen. Befinden sich Mond- und Sonnenzeiger in Neu- oder Vollmondkonstellation in der Nähe des Drachenzeigers, so findet ..nur eine partielle Sonnen- oder Mondfinsternis statt.

8) Ubersetzungsverhältnisse
Die Ubersetzungsverhältnisse sind so berechnet, dass folgende Zeiger und Systeme bei einer Basisumdrehungszahl des Sonnenrandes von einer Umdrehung pro 24 Stunden folgende Anzahl Umdrehungen ausführen:

Sonnenrad resp- -zeiger: 1 Umdrehung in 24 Stunden, also 29 ½ Umdrehungen in 29 ½ Tagen

Mondrad resp. -zeiger: 28 ½ Umdrehungen in 29 ½ Tagen
Tierkreisring: Beim gewählten Ubersetzungsverhältnis macht der Tierkreisring in 365,238 Tagen einen Umlauf.

Drachenzeiger: Beim gewähtlen Ubersetzungsverhältnis braucht der Drachenzeiger für eine ganze Umdrehung gegenüber dem Tierkreis 17,66 Jahre. (Die genaue Dauer des sog. Drachenjahres betragt 18 Jahre 219 Tage.

Auf den Gehäuseschmalseiten können noch folgende Indikationen abgelesen werden. Oben rechts: Stunden- und Minutenangabe (sog. bürgerliche Zeit).
Oben links: Angabe der zwölf Tierkreiszeichen.
Darunter: Angabe der Tages- und Nachtlange .
Unten rechts: Angabe der Wochentage.
Unten links: Weckerzifferblatt.

Als oberer Abschluss dient ein türmchenartiger Aufbau, auf der Frontseite ist das Schlagzifferblatt angebracht.

9) Quellen:
Persönliche Aufzeichnungen von Herrn Konrad Kellenberger
Callwey's Uhrenlexikon von Fritz von Osterhausen ISBN 3-7667-1353-1 1999 Verlag Georg D.W. Callwey GmbH & Co., Streitfeldstrase 35, D-81